Emma nach Mitternacht - Frau Hölle

Klappe zur 1. Folge © Jürgen Carle
Sender:SWR
Produktionsfirma:SWR / Maran
Regie:Torsten C. Fischer
Redakteur:Ulrich Herrmann
Darsteller:Katja Riemann, Andreas Schmidt, Karoline Eichhorn, Corinna Harfouch, Christoph Bach, Peter Sattmann

Beschreibung

Im zweiten Film um "Emma nach Mitternacht" geht es um die Ingenieurin Katharina Holl, die überzeugt ist, dass sie durch Nachlässigkeit den Tod von zwölf Menschen verursacht hat. Emma Mayer versucht zu verhindern, dass Holl sich umbringt, und geht dabei wieder unerschrocken und risikobereit zu Werke.
Emma Mayer ist inzwischen ständige Moderatorin der Radiosendung "Emma nach Mitternacht". Eine Anruferin lässt sie aufhorchen: Katharina Holl gibt sich fröhlich und gelassen, aber Emma spürt sofort, dass hinter der Fassade der Zusammenbruch droht. Die Ingenieurin Holl wird für die mangelhafte Statik einer Schwimmhalle verantwortlich gemacht, deren Dach unter Schneelast einstürzte. Erwachsene und zahlreiche Kinder kamen zu Tode. Nun soll Holl der Prozess gemacht werden. Doch im Gespräch mit Emma wird deutlich, dass Katharina Holl, die in der Öffentlichkeit inzwischen "Frau Hölle" genannt wird, diesen Prozess nicht ertragen kann und akut selbstmordgefährdet ist. Vier Tage hat Emma nun Zeit, Katharina Holl davon zu überzeugen, dass nicht sie allein die gesamte Schuld auf sich nehmen muss.
Konstantes Team
Wie schon die erste Episode von "Emma nach Mitternacht" waren auch bei der zweiten Torsten C. Fischer als Regisseur und Wolfgang Stauch als Autor im Einsatz. Andreas Schmidt, Moritz Leu und Wolfgang Packhäuser bilden auch diesmal wieder das Team des Mannheimer Hörfunksenders, Karoline Eichhorn ist, irgendwo in der weiten Welt, als geheimnisvolle Reisebekanntschaft Emmas zu sehen. Die Episodenhauptrolle der Katharina Holl übernahm Corinna
Harfouch, Peter Sattmann und Christoph Bach sind in weiteren Episodenhauptrollen zu sehen.
"Emma nach Mitternacht: Frau Hölle" ist eine Produktion des SWR in Zusammenarbeit mit der Maran Film.

Quelle: SWR


Rezensionen

Wer ist diese Frau?
In „Emma nach Mitternacht“ arbeitet Katja Riemann als Moderation der Radio-Sendung „Die Nachtpsychologin“. Ihre erste Sendung ist sogleich Psychothrill mit geschliffenen Dialogen.
18.05.2016, von HEIKE HUPERTZ
Die Psychoanalyse ist schon lange nicht mehr der Königsweg zur Selbsterkenntnis. Wenn es dazu eines abschließenden Beweises bedürfte, würde er in „Emma nach Mitternacht“ augenfällig. Da sitzt mit Elisabeth Gira (Mechthild Großmann) eine so arrogante wie innerlich unbeteiligte Psychoanalytikerin am Nachttalker-Radiomikrofon des SWR. Ihre Bedingung: keine „Psychohasen“. Keine Selbstmörder, die Kranken zum Arzt, kein Sex, keine Drogen, Alkohol ja, aber keine Alkoholiker. Bleiben häusliche Konflikte und Gewichtsprobleme in der Leitung.
Darauf ein bisschen uninspiriertes Blabla zwischen den Musikstücken. Eifersucht ist gestrig, auch wenn die Frau ihren Mann mit einer Zwanzigjährigen im Bett erwischt. Was soll’s. Prosit. Den Rest macht der Gin. Sollen die Bedrängten doch bei der Seelsorge anrufen oder dem Pfarrer ihrer Wahl. Den echten Nachttalker Domian würde es schaudern. Redakteur Benno Heinle (Andreas Schmidt) sortiert resigniert, schaut sich insgeheim aber nach Ersatz um. Da läuft Emma Mayer (Katja Riemann) im Studio ein, den Koffer voller Aufkleber, Klamotten, die an Beduinenzelte erinnern, mit leichtem Gepäck angereist aus Marokko.
Oder nicht Emma Mayer? Im Vorspann sieht man Katja Riemann mit einer Frau, mit der sie sich auf dem Markt in Marrakesch trifft. Dann bei einer Trekkingtour in tiefem Einverständnis. Dann verabschiedet die Frau, die jetzt Emma heißen und klinische Psychotherapeutin sein möchte, die andere und sperrt ihren Telefonladen zu. Tausch der Leben? Dass für Emma Komfortzonen keine Rolle spielen, dass sie in jeder Situation improvisieren kann, macht das Drehbuch von Wolfgang Stauch von Anfang an klar. Dies ist eine Frau, die Routine hasst wie der übliche Normalo die Überforderung durch Freiheit. Eine mutige, sonderbare, ungewöhnliche Frau mit sanfter Streichelstimme, wie für das Radio gemacht. Wer braucht schon eine akademische Ausbildung und Therapeutenerfahrung, wenn die Wüste und das harte, schöne nordafrikanische Land Lehrmeister waren?
Dass die Verabsolutierung der Lebenserfahrung zuungunsten fachlicher Kompetenz nicht gleich nervt und alle „Bloch“-Fans auf Nimmerwiedersehen vergrault, liegt an der bildsatten, hübschen Inszenierung (Regie Thorsten C. Fischer, Kamera Jürgen Carle) und an Katja Riemann, die den Wert blitzschneller intuitiver Kombinationsgabe beglaubigt. Und es liegt auch an den dramatischen Fällen, um die es in „Emma nach Mitternacht“ geht. Langwieriges Abstrahieren bringt nichts, wenn es um Leben und Tod geht. Das, was der verstorbene Dieter Pfaff als Psychologe „Bloch“ so hervorragend vermochte - bohrend differenzieren, um angemessen auf menschliche Nöte und Schicksale reagieren zu können -, spielt bei der neuen ARD-Psychotante keine Rolle. Hier geht es um Geschwindigkeit.
In ihrer ersten Sendung hat es Emma gleich mit einem Fall auf Messers Schneide zu tun. Ein gewisser Wolf (Ben Becker) hat sich mit fünf Geiseln in einer Tankstelle verschanzt. Die Polizei hat sich in Stellung gebracht. Emma macht sich zur sechsten Geisel. Und die siebte? Sitzt im Uhrenkasten. Ein Nervenkrieg, ein lebensgefährliches Spiel und der Schlagabtausch zwischen Riemann und Becker machen „Der Wolf und die sieben Geiseln“ nicht nur sehens-, sondern auch hörenswert: Psychothrill mit geschliffenen Dialogen.
Noch besser ist die zweite Folge, in der Corinna Harfouch eine selbstmordgefährdete Ingenieurin spielt, die sich vor Gericht für den Einsturz der Decke einer Schwimmhalle verantworten soll, bei dem zwölf Menschen starben. Christoph Bach spielt den Bauunternehmer, Peter Sattmann den unkonventionellen Bürgermeister, mit dem Emma vielleicht anbändelt. Wenn es sich überhaupt um Emma handelt. Ein paar Hinweise auf ihre Identität gibt es in der zweiten Folge dieses Lobes auf das Psycholaientum auch. Eine Fortsetzung wäre wünschenswert, vielleicht mit einem unterhaltsam kritischen Comeback der Psychoanalyse?

– Heike Hupertz, F.A.Z.